„Genossenschaftliches und gemeinschaftliches Wohnen ist angemessen zu fördern"

Wie bereits im vergangenen Jahr präsentierte sich unsere Baugenossenschaft, mit einem stark frequentierten Infostand, bei der 2. Frankfurter Informationsbörse für gemeinschaftliches und genossenschaftliches Wohnen Ende Oktober 2008 im Frankfurter Römer, mit ihren Vorstellungen für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen. Auch die Projektgruppe „Naxos“ innerhalb von FUNDAMENT eG war erneut mit einem Flugblatt zur Stelle, um ihren Vorstellungen für ein bezahlbares Wohnen auf dem ehemaligen Fabrik-Gelände Nachdruck zu verleihen. Die Mitglieder der Projektgruppe mischten sich auch aktiv bei den Podiumsdiskussionen mit Fragen und Anregungen ein und stießen bei den Zuhörern auf großes Verständnis.

Michael Knoche-Gattringer, Aufsichtsratsvorsitzender von FUNDAMENT, hielt im Rahmen des Vortragsprogramms ein viel beachtetes Referat. Er sagte u.a.: „Wir wollen nichts geschenkt, aber wir wollen, dass insbesondere auch die Stadt Frankfurt ihre Verantwortung dafür wahrnimmt, dass die soziale Entwicklung des städtischen Raums einher geht mit der bewussten Entscheidung dafür, genossenschaftliches und gemeinschaftliches Wohnen im Sinne dieser Stadtentwicklung angemessen zu fördern.“

Wir dokumentieren im Folgenden seine Ausführungen in leicht gekürzter Form.

Genossenschaften sind altmodisch und irgendwie politisch behaftet. Aber sie sind gerade deshalb hochmodern in einer Zeit, in der Spekulationsblasen an den Immobilien- und Finanzmärkten platzen, in der sich der Kapitalismus von seiner unsozialen und wenig nachhaltigen Seite zeigt. Genossenschaften im Allgemeinen und Baugenossenschaften im Besonderen erscheinen also - wieder einmal - auch als eine Alternative zu anderen Eigentums- und Organisationsformen in der Marktwirtschaft, die sich ja gerne als alternativlos geriert.

Sind Genossenschaften also vielleicht sogar ein Zukunftsmodell? Sind sie so etwas wie das „Richtige im Falschen“, das es nach dem Soziologen Theodor W. Adorno gar nicht geben kann?

>Wir meinen ja! Dafür spricht nicht nur das Versagen des rein profitorientierten Wohnungsmarktes: Der freie Markt ist nicht in der Lage, die Wohnbedürfnisse der Menschen sozial gerecht und zu angemessenen Preisen zu befriedigen. Wir müssen hier nicht einmal über die Situation der Ärmsten der Armen reden, die kein Obdach haben. Mittlerweile bedeutet es ja schon ein verschärftes Armutsrisiko in einer Stadt wie Frankfurt mehrere Kinder zu haben und dann noch von einer mehr schlecht als recht bezahlter Beschäftigung als Freiberufler oder städtischer Angestellter leben zu müssen. Bezahlbaren Wohnraum für Familien zu finden, ist angesichts des Angebots auf dem freien Markt für viele Menschen eine beinahe unlösbare Aufgabe. Dazu muss man sich nur die einschlägigen Zeitungsinserate oder den Frankfurter Mietspiegel ansehen.

Zudem wird auch das Angebot an sozialem Wohnungsbau immer weiter reduziert. Auch für städtische Gesellschaften ist es oftmals lukrativer, Luxus-Eigentumswohnungen zu bauen und zu vermarkten, als ihre sozialstaatliche Aufgabe zu erfüllen, preisgünstigen und lebenswerten Wohnraum in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen, so dass auch die Spekulation mit Wohnraum und die Preisentwicklung bei den Mieten begrenzt wird. Gerade Menschen in der viel zitierten und umworbenen Mittelschicht, Arbeitnehmerfamilien mit Kindern, sind mehr oder weniger gezwungen, an den Stadtrand oder darüber hinaus zu ziehen. Die neuen Wohnviertel an der Friedberger Warte, auf dem Riedberg oder auch im Frankfurter Bogen geben einen Eindruck, wie es umgekehrt auch gelingen kann, diese Menschen in der Stadt zu halten - und zu welchem Preis. Denn man muss schon sehr weit hinter Hanau, in den Vogelsberg oder in die Rhön pendeln, um niedrigere Wohnungspreise zu finden - was oftmals überkompensiert wird durch die steigenden Mobilitätskosten, Benzinpreise und die Abschaffung der Pendlerpauschale. Der „Trend“ geht also zurück in die Stadt und da gibt es nicht nur die erwähnten Neubaugebiete, sondern zugegeben wenige innerstädtische Lagen und sanierungsfähigen Bestand, wie z.B. das Naxos-Gelände.

Neben der reinen Wohnraumversorgung spielt das Thema „Bezahlbares Wohnen“ im Alter für viele Menschen eine immer wichtigere Rolle. Genossenschaften, das zeigt nicht nur die Geschichte, bieten dafür eine echte Perspektive.

Für all die Menschen, die zuwenig haben, um echtes Wohneigentum auch für die Altersvorsorge zu bilden, und die gleichzeitig zuviel haben, um Wohngeldberechtigt zu sein: Die Genossenschaft bietet die Perspektive eines lebenslangen Wohnrechts, auf die Bedürfnisse des jeweiligen Lebensabschnitts variabel eingerichtet, mit langfristig günstigen Selbstkostenmieten, ohne Angst vor unkontrollierbaren Mieterhöhungen und Kündigung.

Wie organisiert sich die
Genossenschaft?

Die Genossenschaft dient übrigens auch als Alternative zum Finanzmarkt. Auch wer nicht unbedingt eine Wohnung haben will, kann uns mit einem Zinsbaustein genannten Darlehen unterstützen. Wir bieten eine ethisch korrekte, absolut nachhaltige und krisenfeste Geldanlage zu einem von Ihnen mitzubestimmenden politischen Preis in Form eines etwas unter den Marktpreisen liegenden Zinssatzes.

Festzuhalten bleibt, dass unsere Genossenschaft nicht nur die jüngste, sondern auch die am schnellsten wachsende Genossenschaft in dieser Stadt ist. Innerhalb von nur drei Jahren seit unserer Gründung 2005 haben wir 125 Mitglieder gewonnen, unser erstes Haus gebaut und dafür einen renommierten Architekturpreis gewonnen.

Wir sind stolz auf unsere fünf Vorstandsmitglieder, die völlig ehrenamtlich die Geschäfte führen, und wir sind stolz auf unsere demokratische Verfassung, die uns zwar nicht wesentlich von den anderen Genossenschaften, sehr wohl aber von den anderen Marktteilnehmern unterscheidet. Da wir keine Großaktionäre haben, sondern jedes Mitglied gleiche Rechte hat, gibt es eine reale Selbstbestimmung, statt nur einer Mitbestimmung im „Unternehmen Genossenschaft“. Natürlich ist das auch ein Handicap. Wir konkurrieren mit millionenschweren Investoren um ein knappes und dementsprechend teures Gut. Wir genießen zwar eine außerordentlich gute Bonität besonders bei den uns nahe stehenden Genossenschaftsbanken, können und wollen aber Projekte nicht von der Stange entwickeln, sondern nur in der Größe und im Tempo unseren Mitgliedern entsprechend. Das macht uns langsamer, aber auch solider.

Wir sind darauf angewiesen, dass wir günstige Grundstücke von der Stadt, von Stiftungen oder auch engagierten Privatleuten angeboten bekommen. Wir können uns auch vorstellen, Altbauten zu übernehmen, sei es aus einer Erbschaft oder bei einem Verkauf städtischen Eigentums, und diese nicht aufzuteilen und zu Geld zu machen, sondern die Mieter, die ja ohnehin einen besonderen Schutz genießen, mitzunehmen als Genossinnen und Genossen, die selbst mit darüber bestimmen, was mit ihrer Wohnung geschieht. Wir glauben auch fest daran, dass es so etwas gibt: Engagierte Hausbesitzer, Stiftungen und Hausverwaltungen, deren Ziel es nicht ist, den größtmöglichen Reibach zu machen, sondern die etwas gesellschaftlich Sinnvolles mit einem guten Geschäft verbinden wollen. Denn: Eine Wohnung ist keine Ware, kein x-beliebiges Handelsgut. Es geht um die Ansätze einer solidarischen Ökonomie. Wir sind Teil einer neuen Bewegung, auch eines gewissen Gründergeistes, der sich in den letzten Jahren in verschiedenen Städten gezeigt hat, die teilweise hervorragende kommunale Programme zur Unterstützung von jungen Genossenschaften aufgelegt haben. Programme, die gar nicht viel kosten müssen, übrigens. Aber die beispielsweise in München dazu geführt haben, dass die spekulative Umwandlung in Luxus-Eigentumswohnungen mittels des städtischen Vorkaufsrechts, das an Genossenschaften quasi weitergereicht wird, etwas eingedämmt werden konnte. Unsere Vorbild-Genossenschaft, die kaum 15-jährige Wogeno, konnte so schon 11 Häuser mit Wohnraum für über 400 Menschen in München schaffen.

Wir wollen nichts geschenkt, aber wir wollen, dass insbesondere auch die Stadt Frankfurt ihre Verantwortung dafür wahrnimmt, dass die soziale Entwicklung des städtischen Raums einher geht mit der bewussten Entscheidung dafür, genossenschaftliches und gemeinschaftliches Wohnen im Sinne dieser Stadtentwicklung angemessen zu fördern.

Beispiel FUNDAMENT eG

Frankfurts jüngste Baugenossenschaft, Fundament bauen wohnen leben eG, hat sich Anfang 2005 als Genossenschaftsinitiative in und aus dem „Club Voltaire“ gegründet. Das war kein Zufall, sondern inhaltlich wie personell kann man diese Initiative als Projekt von Frankfurter Linken begreifen - nicht von einer bestimmten Partei, auch wenn wir nicht verhehlen wollen, dass unser Gründungsvorstand und damalige Club-Voltaire-Präsident Lothar Reininger heute Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Frankfurter Römer ist. Eine Initiative von Menschen also, denen die Kritik an der neoliberalen Wohnungspolitik nicht genügte, und die ihre Bedürfnisse nach einem besseren Wohnen und Leben nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben wollten, wenn die politischen Verhältnisse sich in dieser Stadt und in diesem Land grundlegend verändert haben sollten. Die Genossenschaft ist kein Projekt einer Partei oder allein von Menschen, die sich als links oder sozialistisch definieren. Aber sie ist ein Unternehmen mit politischem Anspruch: Hier und jetzt etwas zu schaffen, das Bestand hat, das ein Zeichen setzt gegen soziale Kälte und Wohnraumspekulation auf einem der härtesten und teuersten Immobilienmärkte Deutschlands.

Wir-AG statt Wuchermieten:

Ja, wir wollen auch den Beweis antreten, dass es anders geht, hier und jetzt. Es war die richtige Zeit für eine solche Initiative, die sich im gleichen Sommer 2005 als neu gegründete Genossenschaft konstituierte und sogleich ihr erstes Projekt anging: Mehrere Familien wollten mit ihren Kindern in die Stadt ziehen und suchten ein entsprechendes Grundstück und einen organisatorischen Rahmen für ihr Projekt „Frankfurter Familien“. Sie fanden ihn in FUNDAMENT, das sich als Basis versteht für Bau- und Wohngruppen mit unterschiedlichsten Vorstellungen, die aber ein Ziel eint, anders Bauen, Wohnen und Leben zu wollen: Selbstverwaltet, sozial und ökologisch.

Im Rekordtempo, in nur einem dreiviertel Jahr Bauzeit entstand für rund 1,3 Millionen Euro unser erstes Haus. Der an ökologischen Kriterien undgemeinschaftlichen Wohnformen ausgerichtete Neubau war im September 2007,gerade mal zwei Jahre nach der Gründung der Genossenschaft bezugsfertig. Es ist ein Niedrigenergie-Haus mit etwa drei Liter Primärenergieverbrauch pro Jahr und Quadratmeter, mit einem fortschrittlichen Brauchwasser-System und vorbildlicher, vom Land Hessen ausgezeichneter Architektur. Acht Familien mit 16 Erwachsenen und elf Kindern wohnen nun seit einem guten Jahr in der Alkmenestraße in Preungesheim. Dank des Engagements der Baugenossinnen und Baugenossen- sie müssen neben ihrem Genossenschaftsbeitrag auch mindestens 200 Arbeitsstunden einbringen, mit denen die Baukosten deutlich gesenkt werden konnten - müssen sie auf dem von der Stadt in Erbpacht übernommenen Grundstück nur eine Kaltmiete von derzeit 8,50 Euro bezahlen. Die Energie-Effizienz des Baus hält zudem die „zweite Miete“ gering. Den Vergleich zu den ringsum zu bezahlenden Mieten müssen wir nicht scheuen.

Apropos Politik: FUNDAMENT hat sich gleich zu Anfang erfolgreich dafür eingesetzt, dass der bei städtischen Erbpachtgrundstücken übliche Kinderrabatt auch für Genossenschaften gilt - dabei hat uns sogar die FDP geholfen.