Naxos-Historie


Naxos-Gruppe in Fundament

Die Naxos-Gruppe fand sich Anfang 2006 zusammen und bestand damals aus nur wenigen Mitgliedern. Ihnen ging es darum, nach Möglichkeit mitten in Frankfurt in einem ehemaligen Industriedenkmal ihre Vorstellungen von gemeinschaftlichem Wohnen umzusetzen. Dabei fiel das Augenmerk schnell auf das Naxos-Gelände im Ostend. Seitdem ist die Naxos-Gruppe gewachsen, hat verschiedene Arbeitsgruppen gebildet und kam ihrem Ziel ein großes Stück näher. Intern versucht sie ihre Vorstellungen von gemeinschaftlichem Wohnen zu klären, extern spielte sie im politischen Diskurs um die Zukunft des Geländes eine wichtige Rolle.


Kleine Naxos-Geschichte

1871 wurde die Naxos-Union von dem jüdischen Unternehmer Julius Pfungst gegründet. Die Firma besaß die alleinigen Rechte für den Abbau von Schmirgelsand, der auf der Insel Naxos vorkommt. Sie verarbeitete diesen Schmirgel zu Schleifkörpern und begann ab etwa 1880 mit der Produktion von Schleifmaschinen, die den jahrzehntelangen wirtschaftlichen Erfolg der Firma begründeten. Nach dem Tod von Julius Pfungst (1899) wurde die Firma von seinem Sohn Arthur weitergeführt. Nach dessen Tod ging das Firmenvermögen in eine Stiftung über, die fortan Besitzer der Naxos-Union mit ca. 700 Beschäftigten war. Marie Pfungst, eine Tochter des Firmengründers, leitete die „Dr. Arthur Pfungst Stiftung“, eine bedeutende jüdische Stiftung in Frankfurt, die bis heute existiert (Förderung von Volksbildung, Bibliothek, Kindergarten für berufstätige Mütter und Altenwohnheim - ohne Ansehen der Religionszugehörigkeit). 1936 zwangen die Nationalsozialisten Frau Pfungst zum Rückzug aus der Stiftung. Sie wurde Ende 1942 als fast Achtzigjährige schwerkrank und leidend nach Theresienstadt deportiert. Marie Pfungst überlebte die Lagerhaft nicht.

Quelle: Mile Braach, Marie Eleonore Pfungst. 1862-1943, Frankfurt/M. 1996, 3. Aufl.

(= Biographien Nr. 1 des Fritz Bauer Instituts)

Während der Nazizeit wurden Menschen aus verschiedenen Ländern zur Arbeit in der Naxos-Union gezwungen. An ihr Leiden erinnert heute eine Gedenktafel am Eingang in der Wittelsbacher Allee. 

Bei den schweren Luftangriffen auf die Stadt im März 1944 wurde das Stammwerk weitgehend zerstört. In den Werken Hanau und Fechenheim gab es ebenfalls schwere Zerstörungen. Dem Aufbauwillen der Belegschaft war es zu verdanken, dass schon nach wenigen Wochen die Produktion, wenn auch in bescheidenem Ausmaß, wieder aufgenommen werden konnte. Ende 1951, das Unternehmen war damals gerade 80 Jahre alt, war die Fabrik zum größten Teil wieder aufgebaut.

Die Eigentümerin des Unternehmens, die Dr. Arthur-Pfungst-Stiftung, ließ ihren Mitarbeitern weit über das übliche Maß der damaligen Zeit hinaus soziale Fürsorge zukommen. Ihr Hauptaugenmerk richtete die Stiftung auf die Einrichtung einer großen Lehrwerkstatt im Werk Fechenheim sowie auf die Sicherung des Alters und der Hinterbliebenen. Darüber hinaus wurde ein eigenes System der Gewinnbeteiligung eingeführt, das einen Teil des erarbeiteten Betrages den Mitarbeitern zukommen lässt. In den beiden kommenden Jahrzehnten konnte sich die Naxos-Union zunächst als einer der bedeutendsten Hersteller von Schleifmaschinen halten. Die Firma verpasste jedoch die Umstellung auf genauer arbeitende, computergesteuerte Maschinen. So geriet sie in den achtziger Jahren (mit rund 700 Beschäftigten) in Schwierigkeiten, wurde verkauft und 1989 der Produktionsstandort an der Wittelsbacher Allee aufgegeben.


Ein teures Mietobjekt

Der Immobilienkaufmann Josef Buchmann erwarb das Gelände mit der Absicht, es sehr dicht mit Büro- und Wohnhäusern zu bebauen. Die Stadt Frankfurt verweigerte Buchmann dafür die Genehmigung und schloss mit ihm 1989 einen Mietvertrag für die Naxos-Halle ab. Der vom damaligen Kämmerer Gerhardt (CDU) unterzeichnete skandalöse Vertrag verpflichtete die Stadt bis 2020 zu horrenden Mietzahlungen: Anfangs betrug die Miete ca. 190.000 DM pro Monat, zuletzt 1,1 Mio EUR im Jahr.

Im Frühjahr 2006 erwarb die Stadt für etwa 20,5 Mio EUR das gesamte Naxos-Gelände von Buchmann und beendete damit den absurden Mietvertrag. Die Kaufsumme deckt sich in etwa mit den Mietzahlungen bis zum Ablauf des Vertrages im Jahr 2020 und gilt als vergleichsweise „günstig“.

Der ursprüngliche Plan der Stadt, in der Naxos-Halle ein Industriemuseum zu errichten, war nie verwirklicht worden. Die 1907 gebaute, 120 Meter lange Halle gilt als architektonisches Kleinod und ist seit Jahren fester Bestandteil der „Route der Industriekultur Rhein-Main“. (Bilder aus der Naxos-Halle )

Ohne weitere Ideen für eine eigene Nutzung, hatte die Stadt die Halle an den Unternehmer Wisser vermietet, der sie seit 2000 an das Theater Willy Praml , einem wichtigen Bestandteil der freien Theaterkultur in Frankfurt, untervermietet. Außerdem ist das Kabarett „Käs“ dort untergebracht sowie die Jugendkulturarbeit Bornheim. Der Mietvertrag der Stadt mit Wisser ist Anfang 2006 um weitere 5 Jahre verlängert worden.


Aktueller Stand

Die Stadt als neue Besitzerin des Naxos-Geländes hat erklärt, dass Theater und Kabarett dort bleiben können (außerdem wird die Ansiedlung des „Freien Schauspielensembles“ erwogen). Allerdings ist die Halle bei hohem Aufwand dringend sanierungsbedürftig. Wie sich das auf die langfristigen Bedingungen für die nicht-kommerziellen kulturellen Nutzer auswirkt und welche weiteren Pläne die Stadt für die Halle hat, ist unklar.

Ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Naxos-Union unmittelbar südlich der Halle wurde renoviert und ist seit 2002 als reine Gewerbe-Immobilie überwiegend an Agenturen vermietet. Dieses Gebäude ist ebenso denkmalgeschützt wie die Halle selbst.

Der Leiter des Liegenschaftsamtes Gangel, der den Kauf des Areals mit Buchmann abwickelte, trat sofort mit eigenen Plänen an die Öffentlichkeit. Dabei ging es im Wesentlichen um hochwertige Eigentumswohnungen, Stadtvillen usw. Außerdem verfolgte Gangel den Plan, das gesamte Areal (nach einem Architektur-Wettbewerb) an einen Investor zu verkaufen. Gangels Pläne, die letztlich auf einen möglichst gewinnbringenden Verkauf hinausliefen, waren innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung umstritten. So versuchte z.B. das Grünflächenamt, ein Bauverbot bei den Platanen an der Nordseite durchzusetzen, die auf einer Länge von 200 Metern das Bild der Wingertstraße prägen. Das gleiche gilt für ein parkähnliches Gelände an der Waldschmidtstraße, dessen Erhalt im Widerspruch zu einer extensiven Neubebauung steht.


Aktionen der Naxos-Gruppe

Außerhalb der Stadtverwaltung ist es maßgeblich der Naxos-Gruppe in der Baugenossenschaft Fundament zu verdanken, dass alternative Nutzungen zu Gangels Plänen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Uns geht es vor allem um eine Wohnbebauung für unterschiedliche Bevölkerungsschichten („Auf Naxos ist für alle Platz“) und um ein eigenes gemeinschaftliches, generationsübergreifendes Wohnprojekt. Bereits Anfang März 2006 hatten wir uns an das Liegenschaftsamt gewandt und gefordert, bei den Planungen für das Gelände berücksichtigt zu werden. Wir haben auf Veranstaltungen, mit Flugblättern, einem Bauschild, mit offenen Briefen usw. immer wieder für unser Anliegen geworben.

Am 12. Oktober 2006 hat die Stadtverordnetenversammlung schließlich auf Antrag der CDU und der GRÜNEN einen Beschluss zur Neubebauung des Naxos-Geländes gefasst. („Naxosgelände behutsam verändern“, NR 113 ) Dieser Beschluss ermöglicht eine vielgestaltige Bebauung mit ausdrücklich gewünschtem gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Anteil. Er sieht eine Vielzahl unterschiedlicher Bauherren vor und stellt damit eine Absage an Pläne aus dem Magistrat dar, das Gelände an einen einzigen Investor zu verkaufen. Der Beschluss eröffnet interessante Perspektiven, deren Verwirklichung zum jetzigen Zeitpunkt (April 2007) aber noch nicht konkret zu benennen ist.